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Der Bote

Bischofsweihe

S. E. Hiobs (Bandmann), des Bischofs von Stuttgart

Am 27. November / 10. Dezember, dem Festtag der Gottesmutterikone von Kursk, wurde Archimandrit Hiob (Bandmann) im Synod der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland in New York zum Bischof geweiht. …




Einsetzungsrede des Archimandriten Hiob (Bandmann) am Vorabend der Bischofsweihe

Eure Eminenzen, gotterfüllte Erzhirten, liebe Brüder und Schwestern.

Ich danke Gott dafür, heute hier vor ihnen stehen zu dürfen!

Wer hätte gedacht, dass ein Deutscher aus einer nichtorthodoxen Familie heute berufen wird zum Dienst als Erzhirte der Russischen Auslandskirche?

Es erfüllt mich mit Staunen zu sehen, wie Gott auf wundersame Weise wirkt: Er hat mich aus meinem Lebensumfeld gerufen, in dem ich mich nie richtig zu Hause fühlen konnte, und hat meine Mutter und mich damals zur Orthodoxie geführt, zur Wahrheit, zu Christus — konkret aber zur Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland.

Meine Eltern waren davor keine Atheisten, sie glaubten an Gott, ohne jedoch einer Religion anzugehören. Sie hatten einen natürlichen, man möchte sagen kindlichen Glauben an Gott: Gebete mit eigenen Worten und ohne ein theologisch richtiges Gottesbild. Doch sie haben in mir das Bewusstsein für Gottes Gegenwart geweckt, haben mir gezeigt, dass es ganz selbstverständlich ist, an Ihn zu glauben, dass Er zugänglich ist und auf mich und mein Leben direkt Einfluss nimmt. Ich empfing von Ihnen insbesondere den inneren Drang, Ihn zu suchen: „Suchet, und ihr werdet finden; klopfet, und euch wird aufgetan!“ Für diesen guten Samen, den sie in mich gelegt haben, bin ich ihnen sehr dankbar.

Über die Dankbarkeit gegen Gott, der mich auf diesem Weg geführt und beschütz hat, hinaus, muss ich all diejenigen Menschen in mein Gebet einschließen, die mir die Richtung gewiesen und mir geholfen haben. Namentlich möchte ich wenigstens den Mönch Josef aus dem Katharinen-Kloster auf dem Sinai erwähnen, durch den ich als erstes mit der Orthodoxie in Berührung gekommen bin, und selbstverständlich meinen geistlichen Vater und Lehrer und Abba Metropolit Mark, der mich im Jordan getauft und mich auf den Weg der Orthodoxie, der Erlösung gebracht hat.

Die Taufgnade hat in mir eine solche Liebe und Dankbarkeit zu Gott entfacht, dass ich schließlich den Entschluss fasste, mein Leben ganz Ihm zu widmen. Im Alter von 21 Jahren bin ich in das Kloster des hl. Hiob von Pochaev in München eingetreten und begann dort meinen Mönchsweg, meine geistliche wie auch meine theologische Ausbildung. Letztere erhielt ich in der Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie an der Ludwig-Maximilians Universität in München, wo ich zuletzt meine Doktorarbeit zum Thema „Theodizee im Neuen Testament“ eingereicht habe. Ich habe sehr lange an dieser Arbeit gesessen, denn in den letzten Jahren sind meine Aufgaben im Kloster angewachsen und ich wurde auch immer mehr in die Angelegenheiten der Diözese eingebunden.

Ich bin eigentlich ins Kloster gegangen um der Ruhe und des Gebets willen, ich hatte keine eitlen Ziele, strebte nicht nach einer Führung- oder Ehrenposition. Gott fügte es jedoch anders. Vor dem geistlichen Stand empfand ich schon immer große Scheu und Ehrfurcht, ich nahm die Priesterweihe jedoch aus Gehorsam, Liebe und aus Respekt gegenüber meinem Geistlichen Vater an.

Dass Metropolit Mark und das Bischofskonzil mir solch eine große und verantwortungsvolle Würde anvertrauten, nehme ich dankend und in dem vollen Bewusstsein zur Kenntnis, welch eine schwere und ernsthafte Aufgabe mich besonders in dieser gegenwärtigen Zeit erwartet.


Denn die Welt ist heute im hohen Maße polarisiert: Ost und West, Russland und seine Nachbarn, das Patriarchat von Konstantinopel und das von Moskau, fortschrittliche und konservative Tendenzen, Jung und Alt – sie alle streben zunehmend auseinander und sammeln sich in extremen Lagern, so dass sich für einen orthodoxen Christen der Eindruck nicht erwehren lässt, dass sich derzeit alles zum Schlechten wendet.

Wir werden uns unweigerlich mit der sogenannten „neuen sozialen Ethik“ der westlichen Welt auseinandersetzen müssen. Dafür, dass wir uns zu den Geboten des Evangeliums bekennen und den traditionellen christlichen Lebenswandel predigen, werden wir offen als Extremisten und schädliche Glieder der Gesellschaft gebrandmarkt werden. Die atheistische und zynische Mehrheit der westlichen Gesellschaft betrachtet sich ja den Christen moralisch überlegen, weil sie in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen die Ketten der Sittlichkeit und des Anstandes abgeworfen hat. Sie hat sich die „Freiheit“ auf die Fahnen geschrieben und versucht damit letztlich den eigenen moralischen und geistigen Verfall zu übertünchen. Inzwischen fordert diese Mehrheit von allen, ihre Politik gutzuheißen. Ihre neue Ethik betrachten sie in jeder Hinsicht als fortschrittlicher, auch dahingehend, dass sie die Natur dem Menschen rechtlich gleichstellen möchten, und zwar mit dem Argument, der Mensch sei ein Parasit auf diesem Planeten.

Dagegen müssen wir klarstellen, dass die Kirche die Sünde, nicht den Menschen verurteilt – sein Verhalten, mit dem er vor allem sich selbst schadet. Auch wir, die wir inzwischen eine Minderheit in der pluralistischen Gesellschaft repräsentieren, halten es für nicht mehr zeitgemäß und sinnvoll, wenn der Staat durch seine Gesetzgebung die Einhaltung unserer christlichen Werte allen seinen Bürgern aufzwingt. Auch wir sehen den Menschen als verantwortlich für den Schutz der Natur und das Wohl der Tiere als Schöpfung Gottes. Letztere sollten nicht für Genuss und Vergnügen des Menschen unnötig leiden müssen.

Auch wir lehnen schon seit jeher die positivistische Fortschrittsidee ab, sei es in der Gestalt des Kapitalismus, oder der des Kommunismus. Beide laufen ja auf eine Zerstörung der Natur und der Gesundheit des Menschen hinaus.


In Deutschland sind diese Fragen längst in unseren Familien und Gemeinden angekommen.

Als S.E. Mark Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts die Verantwortung über die Deutsche Diözese übernahm, war sie 5-6 Mal kleiner als heute und die Gemeinden überaltert. Es ist seinem und Erzbischof Agapit’s goßen Anstrengungen zu verdanken, dass sie heute so gut dasteht.

Die neue Welle russischer Immigranten, bestehend vorwiegend aus „Russlanddeutschen“, welche heute in vielen Gemeinden die Mehrheit der Gläubigen ausmachen, hat sich zugänglicher für den westlichen Geist erwiesen, als die alte russische Emigration. Hier verbirgt sich für die Kirche eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.

Als Religionslehrer erlebe ich immer wieder Kinder, die in zwei völlig getrennten Welten zugleich leben, ohne dass ihnen das freilich selbst bewusst ist. In ihren Köpfen koexistieren scheinbar auch zwei separate Weltbilder, welche zum Vorschein kommen, je nachdem in welcher Sprache man sie anspricht oder auch mit welchen Themen bzw. Begriffen man sie konfrontiert. So können sie beispielsweise ganz selbstverständlich ein Bibel- oder Väterwort hören und ihm zustimmen, wenn ich aber auf einen Konflikt mit dem wissenschaftlichen Weltbild oder der modernen Ethik hinweise, dann wiederholen sie natürlich die Meinungen, die sie tagtäglich an der Schule, in den Medien und sozialen Netzwerken zu hören bekommen.

Dasselbe kann man auch bei unseren erwachsenen Gemeindemitgliedern beobachten, wenn auch etwas subtiler. Im Grunde kann man sagen, dass wir es mit den typischen Vorurteilen des modernen westlichen Menschen gegen Kirche und Bibel zu tun haben, die oftmals gar nicht auf unseren orthodoxen Glauben und unsere Kirche zutreffen. Ich sehe nur einen Weg, um damit fertig zu werden: Wir müssen die Ausbildung unserer Kleriker verbessern. Ihnen muss klar sein, dass die Menschen hier im Westen weit mehr als z.B. in Russland, den wissenschaftlichen und philosophischen Modellen Glauben schenken, die den Menschen und seine Geschichte zu erklären versuchen. Mir scheinen die Ausbildungsprogramme der russischen und ukrainischen Priesterseminare, mit denen wir zurzeit kooperieren, unsere Priesteramts-Kandidaten nicht ausreichend darauf vorzubereiten, was diese dann hier in Deutschland erwartet.

Metropolit Mark hat schon sehr lange davor gewarnt, dass wir unsere Jugendlichen verlieren werden. Der heranwachsenden Generation unserer orthodoxen Familien droht mit der Vernachlässigung der russischen Sprache auch der Verlust des orthodoxen Glaubens und damit letztlich ihrer Identität. Unsere Diözese stand viele Jahre vor dem Dilemma, dass die Mehrheit der Gläubigen darauf bestand, die Gottesdienste ausschließlich auf Kirchenslawisch und das Gemeindeleben inklusive der Kinderarbeit auf Russisch stattfinden zu lassen. Gleichzeitig versäumten sie es, darauf zu achten, dass ihre Kinder die Sprache ihrer Heimat ausreichend beherrschten, längst nicht alle Gläubigen nutzen die Angebote unserer Gemeindeschulen, in denen auch die russischen Sprache und Kultur vermittelt werden. Es blieb bei einer Art „Elite“, nämlich die Kinder, die von Hause aus gut russischen konnten.

Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir jetzt unsere Arbeit mit den Kindern in allen Bereichen intensivierten müssen, eine Schlüsselrolle sehe ich bei der Religionspädagogik, deren Niveau es anzuheben gilt.

Was die Einführung der deutschen Sprache im Gottesdienst anbetrifft, müssen wir, meine ich, auf dem Weg weiter voranschreiten, den Metropolit Mark begonnen hat. Er fordert schon lange, dass wir in jeder Liturgie Elemente auf deutsch einbauen, wie z.B. die biblischen Lesungen und die eine oder andere Fürbitte. Auf diese Weise kann sich auf organische Weise eine deutsche liturgische Sprache entwickeln. Von einer völligen Aufgabe des Kirchenslawischen kann jedoch nicht die Rede sein. Ziel sollte vielmehr sein, dass wir die jungen Generationen für das kirchliche Leben gewinnen und dass sich langfristig eine eine parallele deutschsprachige Orthodoxie bilden kann.


Da wir unsere Tätigkeiten entfalten und im öffentlichen Diskurs als Stimme wahrgenommen werden möchten, ist es unvermeidlich, mit den Vertretern des Staates, wie auch mit den Medien den Kontakt zu suchen. Dass die damit verbundene größere öffentliche Aufmerksamkeit ein zweischneidiges Schwert ist, steht außer Frage. Wir haben aber auch gesehen, wie verwundbar und machtlos wir sein können, wenn wir keine Stimme haben.

Dasselbe gilt nicht nur für unser Verhältnis zu Staat und Öffentlichkeit, sondern auch für die Beziehungen zwischen den orthodoxen Kirchen. Jede Kirche, jeder Bischof, ja ich meine, jeder Gläubige, sei er nun Laie oder Kleriker, ist dazu verpflichtet, sich aktiv um die Einheit des Leibes Christi zu bemühen. Wir sehen ja, wie der „Leibrock Christi“ bereits zerrissen und zerteilt wird. Hier dürfen wir uns nicht zu Mittätern machen lassen, im Gegenteil: wir müssen uns alle mit ganzer Kraft gegen diese Tendenzen stemmen.


Meine Hoffnung ist es, das monastische Leben in meinem Heimatkloster als Basis für mein geistliches Leben zu bewahren. Klöster sind das Herz einer Diözese: Sie geben den liturgischen und geistlichen Puls vor. Nicht nur ich als Erzhirte, sondern jeder gläubige Mensch bedarf der „Hesychia“, des Schweigens, des Frieden Christi als Quelle der geistigen Kräfte und Konzentration auf das Wesentliche: Gott.

Das Bischofsamt, wie auch das Priestertum allgemein verstehe ich als Aufgabe, ein brauchbares Gefäß der Gnade bzw. Werkzeug Gottes zu werden. Haupt und aktiver Verwalter der Kirche, Vorsteher und eigentlicher Vollzieher aller Mysterien bleibt stets Christus selbst, wie der heilige Cyprian von Karthago es ausdrückt: „Die Kirche ist aller Orten ein und die selbe, von Christus in viele Glieder geteilt, und das Bischofsamt ist eines, an dem die Einzelnen (Bischöfe) in Bezug auf das Ganze Anteil haben.“

Es erfüllt mich mit großer Demut und Ehrfurcht, Teil dieses einen und gemeinschaftlichen Bischofsamtes zu werden – nicht aber ohne freudvolle Zuversicht. „Ein reines Herz schaffe in mir, o Gott, und den rechten Geist erneuere in meinem Inneren.“ – Gott, stehe mir bei!

Ich bitte Sie, höchstgewehiter Metropolit Illarion und Sie, gotterfüllte Erzhirten, mich Unwürdigen in Ihr Gebet aufzunehmen.

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