Weihnachtsbotschaft S. E. Metropolit Mark an die Gottbehütete Herde der Deutschen Diözese
Ehre sei Gott in den Höhen, und auf Erden Friede...!
Jetzt wird der Sohn Gottes Fleisch – legt den menschlichen Leib an, den Er einst selbst geschaffen hat: nach seinem Bild und seiner Prägung, ohne Sünde, ohne Verlust, ohne Fehl.
Der erste Mensch, Adam, wich von dem Ziel ab, das ihm gesetzt war. Doch Gott erbarmte sich des gefallenen Menschen, liebte ihn so sehr, dass Er seinen einziggezeugten Sohn sandte (Joh 3:16-17), der die ganze menschliche Natur auf sich nahm, vollkommen in sie hineinging, Gottmensch wurde. Wie die Heiligen Väter sagen: Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werden konnte. In dieser Einheit von Gott und Mensch, in diesem noch nie dagewesenen, neuen "WIR" – gründet auch unsere Befreiung von Sünde und Tod, von der Verderbnis, die wir geschaffen haben. Durch den Sohn Gottes und seinen Leib – die Kirche – eröffnet sich uns die Möglichkeit, mit Ihm vereinigt zu werden. In Bethlehem wurde diese Möglichkeit real, greifbar.
Zugleich hat Gott uns als freie Wesen geschaffen. Gott wünscht das Heil einem jeden von uns, Gott gibt seinen Sohn hin für einen jeden von uns – und niemandem von uns drängt Gott das Heil auf. Mit der Freiheit hat Gott auch Verantwortung in uns hineingegeben, schenkte uns die Geistkraft zur Erfüllung Seines Willens. Die Errrettung ist ohne unser eigenes Zutun nicht möglich. Die Einheit mit dem Sohn Gottes erfordert unser Streben und unseren Einsatz, nämlich den Kampf gegen das Böse – das Böse, das wir selbst herbeigerufen und geschaffen haben und stets durch unsere Sünden hineintragen in unser Leben, das eigene und das gemeinsame. Dieses Böse ist die Abkehr von Gott und Seiner Liebe. Anstatt Seine Liebe und Barmherzigkeit anzunehmen, liefern wir uns in unserer Blindheit in die Hände des Feindes aus, der uns anleitet, alles Göttliche in uns selbst zu töten wie auch in der Welt, die uns umgibt.
Welcher Wahnsinn entfaltet sich jetzt vor unseren Augen! Ein brudermörderischer, blutiger Krieg der füreinander allernächsten Völker, deren Lebensräume der Herr mit unermesslichem Reichtum und Schönheit gesegnet hat. Und auf diesen von Gott gesegneten Weiten leben nicht nur zwei Völker, sondern eine Vielzahl. Diese vielen, vielgesichtigen "wir" sind nicht nur eine Vielzahl von Nationalitäten, Sprachen und Dialekten in einem jedem der sich derzeit bekriegenden Staaten, sondern auch zahlreiche andere Bindungen: Familie, Arbeit, Kindheit, Jugend, Freundschaft... Jede Ebene dieses "wir" ist eine besondere. Und jedes "wir" kann wachsen – könnte, sollte emporwachsen in der Liebe und der Wahrheit ...
Aber die von Gott um der Einmütigkeit willen geschenkte Freiheit wird Tag für Tag mit Füßen getreten. Der Wille Gottes ist entstellt. Deshalb ist die Erde durchwühlt und verunstaltet, die Wohnstätten entleert, die verbrannten Skelette der Häuser – schweigend schreien sie zum Himmel.
Sogar im Heiligen Land, wo der Heiland geboren wurde, wo Er wandelte – dort sind die Gotteshäuser jetzt auch leer. Dies ist der sichtbare Krieg. Es gibt auch einen inneren Krieg: Im Russland unserer Zeit können Bekenner, die einst verleumdet, viele Jahre später jedoch unwiderruflich, wie es uns schien, endgültig gerechtfertigt wurden, nun erneut als "Verräter" und "Feinde" eingestuft werden. Anstelle einer echten Aufarbeitung und Überwindung der Vergangenheit erfolgt eine Rückkehr zu den früheren Fehlern unmenschlicher, grausamer Zeiten. Was bringt den Völkern eine solche Rückwendung, zu einstigen Bewertungen und Einstellung?
Es weitet sich der schreckliche Strudel aus Lügen, Heuchelei und Hass, zieht die Nationen immer tiefer in den Abgrund der Gewalt...
Aber es gibt Beispiele in der Geschichte, in denen Staatsmänner – christliche Monarchen, zum Beispiel – nicht durch Gewalt, sondern durch Besonnenheit siegten; sie setzten nicht ihren Willen durch, sondern ehrten die gottgegebene Freiheit, einigten sich und überwanden die Zwietracht dieser Welt durch Gehorsam gegenüber Gott und seinen heiligen Geboten.
Wenn an die Stelle der höchsten Wahrheit und der christlichen Liebe kleinliches Kalkül, Habgier, Eigenliebe, Machtgier treten, dann bricht in den Köpfen und Herzen der Menschen der Krieg aus und bricht hervor.
Mit Schmerz gesagt: Unsere Gesellschaft hat den Verstand verloren. Gewöhnt an Selbstrechtfertigung, Heuchelei und Betrug, hat sich die Gesellschaft so weit vom christlichen Weltverständnis, ja sogar von den äußeren christlichen Bräuchen und Traditionen entfernt, dass der Ruf zur Versöhnung als etwas lediglich Äußerliches erscheint, er dringt nicht ins Herz und drängt nicht zum Gebet. Und siehe, Leben um Leben werden der geistigen Blindheit des kleinlichen «ich» geopfert...
Es gibt ein anderes "ICH", das im Menschen Wohnung genommen und in der Menschheit gegenwärtig ist, ein allumfassendes, alles mit Seinem allsehenden und allwissenden Blick durchdringendes. Dieses "ICH" ist das des Eretters. In Ihm und durch Ihn finden wir ein anderes "WIR", das in den Tiefen des friedlichen Seins die Welt besiegt (Joh 16:33), erwerben wir eine andere Sicht und eine andere Dimension. Unerwartet mag dieses Wort klingen: die Dimension der Freundschaft.
Hierzu sagt unser heiliger Vater Justin (Popović): "Der Gottmensch brachte der Welt durch sein Neues Testament auch eine neue Gemeinschaft, einen neuen Inhalt der Freundschaft ...
Wahre Freundschaft besteht aus der heiligen und göttlichen Liebe des Menschen zum Menschen. Der Mensch ist ein Freund für alles, was heilig und göttlich im Menschen ist; das freut ihn an einem Freund. Darauf gründet er alle seine Beziehungen zum Freund. Das bedeutet auch: Den Inhalt der rechten Freundschaft gibt Gott – und das, was göttlich ist."
Das Göttliche sollen wir sehen. Wenn wir als Christen jeden Menschen auf dieser Welt genau so betrachten – freundschaftlich, dann wird Frieden unter den Völkern möglich. Die Engel in Bethlehem haben diesen Frieden verkündet. Es liegt an uns, auf ihre gute Nachricht zu hören und unser Ego zu überwinden, indem wir die Liebe Gottes und die Liebe zu Gott als Grundlage unseres Lebens annehmen.
Christus wird geboren!
Berlin - MünchenWeihnachten 2024
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